Technische Anschlussregeln: „Es ist ein Trugschluss, dass sich für Netzbetreiber nicht viel ändert“

Die EU-Grid-Codes sind ein von der EU-Kommission entwickeltes Verordnungspaket, das unmittelbar nach der Veröffentlichung und der gesetzten Frist umzusetzen sind. Die Grid-Codes enthalten Elemente, die von den einzelnen Nationalstaaten unverändert bleiben, andere Elemente konnten an nationale „Besonderheiten“ der bestehenden Netzinfrastrukturen angepasst werden.

Dazu hat das federführende Bundeswirtschaftsministerium (BMWi) den VDE|FNN als „beauftragte“ Stelle genutzt, die nationalen Anpassungen zu formulieren und dann in Konsultationsprozessen mit allen Stakeholdern zu diskutieren. Nach Ablauf dieses Prozesses wurde dem BMWi die VDE|FNN TAR (Technische Anschlussregeln) übergeben, so dass innerhalb der EU-Fristen ein Notifizierungsverfahren durchgeführt werden konnte.

Nach Abschluss der Notifizierung sind dann auch die national angepassten Bereiche „genehmigt“. Die VDE|FNN TAR sind somit nach Ablauf der maßgeblichen Frist (27.04.2019 – Verordnung (EU) 2016/631 – Requirements for Generators) verbindlich umzusetzen.

Technische Anschlussregeln: Systematisierte und standardisierte Bewertung erforderlich

In den TAR kann leider nicht klar unterschieden werden, was EU-Vorschrift und was nationale Anpassung ist. Mit einem juristischen Partner (FGS, Flick Gocke Schaumburg mbB, Bonn) wurden die Teilaspekte analysiert und mit einer Betroffenheits- und Verantwortungsmetrik entsprechend den Rollen (Netzbetreiber, Hersteller, Anlagenerrichter, Anlagenbetreiber, …) abgebildet –  also jede einzelne technische Anforderung in der Wirksamkeit auf die Rollen analysiert und bewertet. Die Komplexität der Grid Codes verlangt hier eine systematisierte und standardisierte Bewertung aller Anforderungen und deren Wirkung auf die Unternehmen. Es ist aber auch wichtig zu wissen, was ist „EU“ und was ist „national“.

Technische Anschlussregeln

Betroffenheits- und Verantwortungsmetrik (Quelle: FGS / Fette – Competence in Energy GmbH)

Die Einführung dieser Betroffenheits- und Verantwortungsmetrik ermöglicht es, für alle Rollen individuelle Herausforderungen klar zu beschreiben (Bild). Auf dieser Basis erstellte umfangreiche Bewertungstabellen ermöglichen es, eine gezielte Abarbeitung der einzelnen Anforderungen der TAR mit Priorisierungen und Risikobewertungen für Unternehmen zu erstellen, einen genauen Überblick und entsprechende Umsetzungen priorisiert und skaliert zu erhalten. Das ist besonders effizient, da Ist- und Soll-Positionen schnell ermittelbar sind und zugleich unternehmerische Risiken identifiziert werden.

Da sowohl die EU-Grid-Codes als auch die VD|FNN TAR nicht in Stein gemeißelt sind, ist jetzt jede Art Änderung oder Anpassung und deren Wirkung direkt bewertbar. Die anfangs zitierte EU 2016/631 – RfG stellt Anforderungen aus der Sicht der Anlagen – aber nicht aus der Systemsicht. Es muss sich also ändern, z.B. auf der EU-Seite: Requirements for Generators sollte zumindest die Rolle der Prosumer und Flexisumer mit aufgreifen.

Netzbetreiber sehen in den neuen VDE|FNN TAR lediglich eine „neue“ Vorgabe einiger technischer Parameter – mit anderen Worten: Es hat sich gegenüber der früheren Vorgehensweise wenig geändert! Doch das ist ein Trugschluss!

Die Bewertung der einzelnen Anforderungen kann man wiederum auf sogenannte Business-Variablen (Technik, Finanzen, Organisation, Umwelt, Image, Compliance, Sicherheit, Qualität, Effizienz) übertragen, um festzustellen, wo und an welcher Stelle im Unternehmen Auswirkungen der Grid Codes entstehen.

Beispiel Life-Cycle-Bedingungen in der Betriebserlaubnis von Anlagen am Netz
Technische Anschlussregeln

Struktur des Netzanschlussmanagements mit Life-Cycle-Optionen. (Grafik: Fette – Competence in Energy GmbH)

Als Beispiel sei hier die Umsetzung der geforderten Life-Cycle-Bedingungen in der Betriebserlaubnis von Anlagen am Netz nach dem 27.04.2019 genannt, mit Prüfungen der Netzumgebungen, der Zertifikate, der Veränderungen an Anlagen, mit der Umsetzung von Netzbetreibervorgaben usw.. Diese Thematik ist noch nicht die Sicht auf das System, sondern immer noch auf die Anlage. In dem Moment, wenn die notwendigerweise erforderliche Systemsicht greift, wird es interessant, welche Rolle die einzelnen Anlagen spielen und wie sie parametriert sind. Die Integration von E-Fahrzeugen, aber auch der weitere Ausbau von Photovoltaik- und Windenergieanlagen werden lokale Anpassungen des Systems erfordern, was allerdings dann auch eine unmittelbare Reaktion im Netzanschlussmanagement erfordert. Das Beispiel illustriert sehr gut die Auswirkungen auf die Unternehmensprozesse, der Vertragsgestaltungen, und nicht nur die technischen Aspekte. In der Abbildung sind die wesentlichen Schritte eines Netzanschlussmanagements im Überblick dargestellt.

Die Rolle und Struktur des „neuen“ Netzanschlussmanagements (konform zu den relevanten Aspekten einschließlich der Life-Cycle-Bedingungen der Grid Codes sowie der Forderungen der VDE|FNN TAR)  werden in den nächsten Beiträgen auf energie.blog vorgestellt – zunächst im Überblick, dann im Detail.

Grundvoraussetzung für das Verständnis sind Betroffenheit und Verantwortung, die die einzelnen Stakeholder aus diesen Verordnungspaketen übernehmen – selbstverständlich mit der juristischen Bewertung eventueller Haftbarkeiten. Natürlich ist es auch wichtig zu wissen, was technisch denn im Detail gefordert ist – aber nicht nur! Die Anpassung der Infrastrukturen – Vom Netz zum System – erfordert eine sehr systematische und abgestimmte Vorgehensweise.

Anmeldung zu unserem Newsletter

Melden Sie sich jetzt zu unserem Newsletter und bleiben Sie immer auf dem aktuellsten Stand.

z.B abc@xyz.com

Sie können sich zu jedem Zeitpunkt mit dem dafür vorgesehen Link in jedem erhaltenen Newsletter abmelden.

Wir verwenden Sendinblue als Marketing-Plattform. Indem Sie unseren Newsletter abonnieren, bestätigen Sie, dass die von Ihnen bereitgestellten Informationen zur weiteren Verarbeitung an Sendinblue im Einklang mit deren Nutzungsbedingungen übertragen werden.